"Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar" - Tags in barrierefreien Dokumenten
Das Wort "Tags" hört man im Zusammenhang mit Dokumenten sehr häufig. Denn: "Tags machen Dokumente barrierefrei". Was kann man sich darunter vorstellen? Wie ermöglichen sie uns, dass die Dokumente für sehbehinderte Menschen ebenso zugänglich sind wie für Menschen ohne Behinderung?
Was sind Tags?
Wenn es um die Thematik "barrierefreie Dokumente" geht, scheitern viele bereits an dem Begriff „Tags“. So geht es übrigens quasi allen Neulingen im Bereich barrierefreie Dokumente – also keine Sorge, wenn es euch auch so geht.
Eigentlich sind Tags relativ einfach zu verstehen: Jedes Dokument hat eine Struktur, die sich meist aus Überschrift, Fließtext und Bildern ergibt. Diese Elemente haben alle unterschiedliche Bedeutungen und Funktionen im Gesamttext. Als sehende Person können wir den Elementen ihre Rolle oft "ansehen", das heißt, wir können durch visuelle Reize einordnen, ob es sich bei einem Text beispielsweise um eine Überschrift, einen Fließtext oder Tabelle handelt. Steht ein Satz größer gedruckt über mehreren Zeilen zusammenhängendem Text? Dann wird das wohl ein Paragraph mit dazugehöriger Überschrift sein.
Damit diverse Technologien die Rollen der Elemente auch verstehen können und assistive Technologien den Inhalt und die semantische Rolle eines Elements auch wiedergeben können, benötigt es gewisse Informationen. Und dafür sind Tags da. Denn diese zeigen an, welche Rolle der jeweilige Inhalt im Gesamtkontext annimmt.
Kurz: Zu einem Tag gehört immer der jeweilige Inhalt und die Bedeutung des Inhalts im Kontext des Dokuments.
Zu den wichtigsten Strukturelementen zählen unter Anderem: Absätze, Überschriften und Bilder. Textabsätze werden mit dem Tag <P> („Paragraph“) gekennzeichnet. Innerhalb der Überschriften kann auch in Zwischenüberschriften untergliedert werden, sodass bis zu 6 Überschriften-Ebenen von <H1> bis <H6> entstehen. Der PDF-Tag <Figure> wird bei Bildern verwendet.
Tags geben demnach die Strukturinformationen an und gliedern diese hierarchisch. So entsteht ein sogenannter Tag-Baum, der die Grundstruktur des Textes darstellt, indem die Elemente nacheinander aufgelistet sind. Je nach Element und dessen Position und Eigenschaft im Text, befindet es sich entweder weit oben im Baum oder ganz verzweigt in einem der vielen Äste. Die Reihenfolge im Tag-Baum ist ebenso die Lesereihenfolge, also die Reihenfolge, in der die Elemente von assistiven Technologien wiedergegeben werden.
Im Beispiel: Der Tag-Baum zeigt die Rollen und Reihenfolge der einzelnen Elemente im Text an. In diesem Dokument beginnt die Seite mit einer Überschrift der Ebene 1. Danach folgt eine Liste mit dem Tag <L>. Eine weitere Überschrift der Ebene 1 zeigt einen neuen Bereich an. Inhalt des Bereichs sind 6 Abbildungen.
Ihr fragt euch wie das Dokument aussehen könnte?
Das ist das Dokument, zu dem der Tag-Baum gehört:
Die Seite startet mit der Überschrift "Wieso axes4?" Danach folgt die Liste der Gründe. "Ein Auszug unserer Kunden" zeigt den neuen Abschnitt an, dessen Inhalt sechs Logos sind, die jeweils mit dem Tag <Figure> versehen sind.
Wieso braucht ein Dokument Tags?
Nachdem wir nun alle ein Verständnis davon haben, was Tags sind, ist noch eine zentrale Frage offen:
Ist es wirklich sooo wichtig, dass ein Dokument semantisch korrekte Tags besitzt?
Die Antwort ist ziemlich eindeutig: ja.
Stellt euch vor, in eurem liebsten Restaurants wird euer Essen ab jetzt nur noch mit Essstäbchen serviert. Ihr könnt mit den Holzstäbchen jedoch überhaupt nicht umgehen. Besonders ärgert euch das im Hinblick auf die Lieblingssuppe, die ihr nach allem Bemühen wirklich nicht mit Essstäbchen essen könnt. Eine Straße weiter eröffnet ein Lokal, in dem ebenfalls eure Lieblingssuppe angeboten wird. Nur bekommt ihr die Gerichte dort mit dem Besteck der Wahl an den Tisch gebracht. Wahrscheinlich würdet ihr sehr schnell in das neue Restaurant wechseln, oder?
Für manche Leute sind Tags, was in diesem Fall ein Löffel ist. Denn Tags sind die technische Voraussetzung für barrierefreie Dokumente. Das heißt: Sie sind die Voraussetzung dafür, dass ein Dokument für alle Menschen zugänglich und lesbar ist. Denn Dokumente müssen eine korrekte semantische Struktur (also einen korrekten Tag-Baum) besitzen, um maschinenlesbar zu sein. Maschinenlesbare Inhalte sind das, worauf assistive Technologien zugreifen, und beeinflussen so die Barrierefreiheit digitaler Inhalte.
Tags zeigen Screenreadern, wann es sich um eine Überschrift, einen Fließtext oder eine Tabelle handelt. Wie schon erwähnt, legt die Hierarchie im Strukturbaum die Lesereihenfolge fest. Außerdem können sehbehinderte Menschen mit Hilfe von assistiven Technologien z.B. von Überschrift zu Überschrift springen, ohne jedes einzelne Wort des untergeordneten Fließtextes vorgelesen zu bekommen. Das ist effizient und spart Zeit. Ein weiterer Pluspunkt durch korrektes Taggen ist die Möglichkeit, außertextliche (also dekorative) Elemente als Artefakte zu kennzeichnen. Erfüllen z.B. Bilder keinen inhaltlichen Mehrwert, können sie als Artefakte von assistiven Technologien ignoriert werden.
Und was bedeutet das für euch?
Arbeitet ihr an einem Word-Dokument, könnt ihr das Dokument ganz einfach mit axesWord zu einem barrierefreien PDF konvertieren. axesWord erstellt die Tags im Hintergrund. Somit ist sichergestellt, dass alle Menschen Zugang zu den Inhalten haben.
Mit axesPDF können Tags auch innerhalb des PDF-Dokuments bearbeitet werden - Voraussetzung ist hier allerdings, dass das Dokument schon Tags erhält, es beispielsweise mit axesWord von Word zu PDF konvertiert wurde. Bislang musste immer das Quelldokument bearbeitet werden, damit axesWord die Datei anschließend in ein barrierefreies PDF mit Tags umwandeln konnte. Anbieter*innen von Inhalten können sich den Schritt sparen. Neulinge im Bereich Barrierefreiheit können sich wahrscheinlich nicht wirklich vorstellen, wie hilfreich und effizient das ist. Besonders, wenn das ursprüngliche Word-Dokument schon gelöscht wurde.
Wie können Tags überprüft werden?
Tags sind wie Waschzettel in unseren Klamotten – auf den ersten Blick nicht sichtbar und dennoch ausschlaggebend, was die Informationen zum Kleidungsstück bzw. Text(-element) angeht.
Auf den ersten Blick nicht sichtbar? Ja, genau. Anhand des Erscheinungsbildes einer PDF-Datei lässt sich nämlich nicht sagen, ob diese einen semantisch korrekten Tag-Baum enthält oder nicht. Doch keine Sorge, es gibt natürlich zuverlässige Methoden, ein Dokument auf seine Tags zu überprüfen. Denn immerhin sind semantisch korrekte Tags die Grundvoraussetzung für Barrierefreiheit und sollten daher in jedem Dokument vorhanden sein.
Mit Hilfe des PDF Accessibility Checker (PAC) kann so eine Ansicht generiert werden. In der Screenreader-Vorschau lassen sich dann die logische Strukturreihenfolge und die Hierarchieebene der einzelnen Strukturelemente überprüfen.
In der Screenreader-Vorschau kann eingesehen werden, welche Rollen die einzelnen Elemente haben und wie diese geordnet sind. Die semantischen Rollen sind zur besseren Übersicht jeweils einer Farbe zugeordnet.
Es handelt sich bei Abbildung 3 um denselben Ausschnitt der Broschüre: Beginnend mit der Überschrift der Ebene 1, folgt die Liste der Gründe. "Ein Auszug unserer Kunden" ist eine weitere Überschrift der Ebene 1, danach sind sechs Abbildungen erwähnt. Hier sieht man übrigens gut, dass hinter jeder Abbildung ein Alternativtext steht.
Zur Übersicht folgt nun eine Tabelle mit den wichtigsten Strukturelementen und ihren Farben in der Screenreader-Vorschau des PAC-Berichts:
Wichtige Links
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