Illustration eines Menschen mit Vollbart. Der Mensch hat eine grüne Brille auf. In den Gläsern sind verschwommene Buchstaben.

Eine vergessene Kundengruppe? Digitale Barrierefreiheit und die Generation 65+

geschrieben von
Lisa Huber
veröffentlicht

Im digitalen Bereich werden die sogenannten „Silver Surfer“ oftmals vergessen. Damit ist allgemein die Generation 50+ gemeint, doch auch für Internetnutzer*innen über 65 gibt es mittlerweile aufschlussreiche Zahlen. Diese bestätigen: Von digitaler Barrierefreiheit profitieren viel mehr Personen als allgemein angenommen.  

Wie nutzt die Generation 65+ das Internet?

Im Jahr 2023 ist eine spannende Statistik erschienen. Die Fragestellung der Statistik war, wie viele Menschen in der EU das Internet bisher noch nie benutzt haben oder nicht regelmäßig nutzen. Diese Personengruppe wird als sogenannte „Offliner“ bezeichnet. Bei der Altersverteilung fiel auf, dass die Gruppe der 65- bis 74-jährigen am größten war: In Deutschland sind 17 % dieser Gruppe offline, im Europa-Schnitt knapp 25 %. Interessant ist auch, was das im Umkehrschluss bedeutet: Anders als oftmals erwartet, sind Silver Surfer über 65 keinesfalls automatisch „Offliner“. Der Großteil der Menschen bewegen sich auch im fortgeschrittenen Alter im Internet - ihre Bedürfnisse werden häufig trotzdem nicht berücksichtigt. 

Andere Statistiken machen deutlich, wie die Internetnutzung bei der Altersgruppe 65+ konkret aussieht. Es fällt auf: Nicht sehr viel anders als bei jüngeren Personen. Von den befragten 65- bis 74-jährigen:

  • verwendeten 30% Online Banking,
  • suchten 45% im Netz nach Waren und Dienstleistungen,
  • gaben knapp 57% an, schon einmal etwas in einem Online-Shop erworben zu haben,
  • nutzten 41% Online-Shopping in den letzten Monaten.

Auch wenn bei jüngeren Personengruppen die Zahlen höher ausfallen, sind es keinesfalls wenige Menschen im fortgeschrittenen Alter, die in der Online-Welt unterwegs sind. Zur Wahrheit gehört aber auch: Es könnten deutlich mehr sein. 

Wie viele Silver Surfer sind von Seheinschränkungen betroffen? 

Nicht alle Sehbehinderungen und Augenkrankheiten liegen von Geburt an vor. Viele Menschen sind auch erst später betroffen, einige davon altersbedingt. Allerdings ist es schwierig, dazu ganz genaue Daten zu finden. Denn in den Statistiken über Schwerbehinderungen wird meistens jeweils die am schwerwiegendste Einschränkung betrachtet. Zahlen von weniger ausgeprägten, aber vorhandenen Seherkrankungen bleiben dadurch häufig außen vor. 

Es gibt aber Hinweise, wenn man sich einzelnen Krankheiten im Detail ansieht: zum Beispiel die „Altersabhängige Makuladegeneration (AMD)“. Es kommt hier zu Gesichtsfeldausfällen und Verzerrungen, die kontinuierlich schlimmer werden. In Industriestaaten ist die Krankheit für circa 50% der Erblindungsfälle der über 65-Jährigen verantwortlich.  
Im Frühstadium sind in Deutschland ca. 7 Millionen Menschen betroffen, im Spätstadium 480.000 Menschen. Außerdem ist die Zahl in den letzten 15 Jahren stark gewachsen (von 2003 bis 2017 um etwa 25 %). Das kann sowohl auf neue Diagnostikverfahren als auch den demographischen Wandel zurückgeführt werden. 

Eine gute Altersverteilung, die man auf andere Bundesländer hochrechnen kann, gibt es zudem für Bayern und diejenigen, die in Bayern Blindengeld erhalten: Demnach sind 66,9% älter als 60. Das sind mehr als zwei Drittel der Betroffenen. In diesen Zahlen sind übrigens nur blinde Menschen miteinbezogen. Menschen mit „hochgradiger Sehbehinderung“ werden in dieser Anfrage zum Blindengeld nicht berücksichtigt. Das heißt: Die Dunkelziffer der Silver Surfer mit Sehbehinderung ist vermutlich deutlich höher.

Fazit: Mehr Silver Surfer als gedacht, weniger als es sein könnten 

Die aktuellen Zahlen zeigen vor allem: Die meisten Menschen, unabhängig ihres Alters, sind interessiert und dem Internet und dem E-Commerce aufgeschlossen. Der Großteil des Internets begegnet diesem Interesse nicht mit der gleichen Offenheit. Barrieren lauern überall. Sie verhindern, dass ein großer Teil der Generation 65+ das Internet im gleichen Maße nutzen kann wie jüngere Personen. 

Aus rein wirtschaftlicher Sicht ist es also durchaus sinnvoll, dem entgegenzuwirken. Die Generation 50+ verfügt heute über jeden zweiten Euro an freier Kaufkraft. Durch den demographischen Wandel wird sich diese Zahl immer weiter in die Richtung der 65- bis 74-jährigen verschieben. Es gilt also auch hier: Was kurzfristig nach Mehrkosten aussieht, ist langfristig ein Gewinn für alle. 

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