Visual axes4 Day Speaker: Hannes Dohrn und Emanuel Schleussinger im Interview. Logo axes4 Day 2025. Berlin 27.März

Emanuel Schleussinger & Hannes Dohrn über automatisiertes Prüfen von PDF-Barrierefreiheit: Herausforderungen, Tools und Lösungen

Rahel Pfeffinger
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Rahel Pfeffinger
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Emanuel Schleussinger und Hannes Dohrn arbeiten bei PDF Tools AG. Ihr Vortrag am axes4 Day 2025 trägt den Titel: „Use Case: axesSense als Schlüssel zu automatisierter Prüfung barrierefreier Dokumente“.

Barrierefreie PDFs auf Knopfdruck? Beim axes4 Day 2025 in Berlin zeigen Emanuel Schleussinger und Hannes Dohrn von PDF Tools AG, wie Unternehmen große Dokumentenmengen automatisiert auf Barrierefreiheit prüfen können – und warum die richtigen Tools dabei entscheidend sind.

Im Vorfeld haben Emanuel und Hannes uns im Interview spannende Einblicke gegeben, unter anderem zu ihrer Arbeit bei pdftools, der Entwicklung digitaler Barrierefreiheit, aktuellen Herausforderungen und praxisnahen Lösungen.

Das BFSG tritt im Juni in Kraft und stellt damit viele Organisationen vor Herausforderungen. Was ist aus eurer Sicht einer der Stolpersteine für Unternehmen, die mit großen Dokumentmengen arbeiten?

„Ein Stolperstein, den wir immer wieder sehen, ist die Annahme, dass Barrierefreiheit quasi nebenbei entsteht. In Wirklichkeit braucht es dafür geschultes Personal, denn nicht jeder, der Dokumente erstellt, kann oder muss ein Accessibility-Experte sein.

Natürlich helfen gut durchdachte Templates. Wenn sie mit dem richtigen Fokus auf Barrierefreiheit erstellt wurden, können sie den Prozess deutlich erleichtern. Aber auch hier gibt es Stolpersteine: Füge ich zum Beispiel ein Bild ein und vergesse den Alternativtext, leidet die Barrierefreiheit trotzdem.

Deshalb ist technische Unterstützung durch Tools unerlässlich. In Zukunft könnte KI hier eine Rolle spielen, aber momentan ist generische KI noch nicht in der Lage, sinnvoll zu helfen. Die Entwicklung spezialisierter KI ist teuer und aufwendig, und selbst wenn sich das ändert, bleibt es vorerst eine kostspielige Angelegenheit.“

Welche Regeln im Juni durch das BFSG auf Unternehmen in der Privatwirtschaft zukommen, erfährst Du auf unserem Blog.

Emanuel, Du entwickelst beruflich seit 1994 Computerlösungen und hast umfangreiche Erfahrung in der Leitung von Technologie-Teams. Wie hat sich Deiner Meinung nach die Bedeutung der Barrierefreiheit in der IT im Laufe der Jahre verändert?

„Barrierefreiheit in der IT hat sich von einem Nischenthema zu einer essenziellen Anforderung entwickelt. 1994 begann meine berufliche Laufbahn in einer Zeit, in der Funktionalität Vorrang vor Nutzererfahrung hatte und Zugänglichkeit kaum Thema war. Heute ist Barrierefreiheit ein zentraler Erfolgsfaktor digitaler Produkte. Tools unterstützen die Erstellung barrierefreier Inhalte, Vorlagen erleichtern die Dokumentenproduktion. 2025 ist das Jahr der digitalen Barrierefreiheit. Unternehmen müssen jetzt handeln, investieren und ihre IT-Prozesse anpassen, um gesetzliche Anforderungen zu erfüllen und konkurrenzfähig zu bleiben.“

Emanuel SchleussingerChief Technology Officer, PDF Tools AG
"Barrierefreiheit in der IT hat sich von einem Nischenthema zu einer essenziellen Anforderung entwickelt."

Hannes, Du hast Dich auf Forschung und Entwicklung im Bereich Dokumentenmanagement spezialisiert. Welche spezifischen Herausforderungen siehst Du bei der Implementierung von Barrierefreiheitsstandards bei großen Dokumentenbeständen?

„Barrierefreiheit in großen Dokumentbeständen ist eine echte Herausforderung. Die Technologien, die wir dafür bräuchten, sind entweder noch nicht ausgereift oder schlichtweg zu teuer. KI wird oft als Allheilmittel angepriesen, aber die aktuellen Modelle machen noch zu viele Fehler, wenn es darum geht, komplexe Strukturen wie Tabellen oder die Lesereihenfolge für Screenreader verständlich aufzubereiten. Und manuelle Nacharbeit? Es ist schlicht nicht realistisch ein Team aus Expert:innen aufzustellen und zu finanzieren, um Millionen von Dokumenten zu remedieren.

Besonders knifflig wird es, wenn ältere Dokumente barrierefrei gemacht werden müssen. Hier braucht es klare Prozesse und vor allem die richtigen Tools, um die Mitarbeiter:innen gezielt zu unterstützen. Schulungen sind hier ein wichtiger Hebel – aber auch da gilt: Ohne Software-Unterstützung bleibt das ein Kampf gegen Windmühlen.

Wir müssen pragmatisch bleiben. Vollständige Barrierefreiheit wird sich bei Altbeständen kaum flächendeckend nachrüsten lassen. Aber es gibt Ansätze: OCR kann zumindest Basistexte verfügbar machen – auch wenn das für semantisch korrekte Lesereihenfolgen oft nicht reicht. Heuristische Verfahren können helfen, Strukturinformationen abzuleiten, machen aber noch zu viele Fehler. Auch stellt sich die Frage: Ist eine fehlerhaft nachgerüstete Struktur wirklich besser als gar keine Struktur für Menschen, die auf Screenreader angewiesen sind?

Am Ende geht es uns nicht darum, Menschen zu ersetzen, sondern ihnen die Werkzeuge an die Hand zu geben, die sie brauchen. Barrierefreiheit bleibt eine Mammutaufgabe – aber mit den richtigen Tools und einem gesunden Maß an Pragmatismus kommen wir Schritt für Schritt voran.“

Ohne zu viel von eurem Vortrag vorwegzunehmen: Welchen praktischen Tipp würdet ihr Organisationen geben, die vor der Aufgabe stehen, große Mengen an PDF-Dokumenten barrierefrei zu gestalten?

Hannes DohrnSoftware Architect, PDF Tools AG
"Autor:innen müssen sich den Anforderungen bewusst sein und lernen, mit den richtigen Tools barrierefreie Dokumente von Anfang an korrekt zu erstellen. "

„Für bestehende Dokumente ist die realistischste Lösung, sich auf das technisch Machbare zu konzentrieren: Automatisierte Texterkennung für gescannte Dokumente, grundlegende semantische Strukturierung und ein Fokus auf die Minimierung kritischer Barrieren. Perfekte Barrierefreiheit ist bei Altbeständen nicht realistisch, aber es gibt sinnvolle Kompromisse, die den Zugang für viele Nutzer verbessern können.

Für neue Dokumente ist Schulung der wichtigste Faktor. Autor:innen müssen sich den Anforderungen bewusst sein und lernen, mit den richtigen Tools barrierefreie Dokumente von Anfang an korrekt zu erstellen. Automatische Prüfungen und KI-gestützte Hilfestellungen können sie unterstützen, aber sie ersetzen keine fundierte Kenntnis über barrierefreie Gestaltung.

Ein weiterer praktischer Punkt: Unternehmen sollten klare Prozesse für Dokumentenupdates definieren. Sobald ein bestehendes PDF überarbeitet wird, können neue Anforderungen greifen – und ohne die richtigen Werkzeuge kann das eine erhebliche Herausforderung sein. Die Investition in gute Tools und Prozesse zahlt sich hier langfristig aus.“

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Illustration: Ticket für den axes4 Day am 27.März 2025.

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